Mehrsprachigkeit soll in der Schule – u.a. im Fremdsprachenunterricht – produktiv genutzt werden. Doch was bedeutet es eigentlich, dies selbst in die Tat umzusetzen?
Das Projekt MEG-SKoRe (Sprachliche und kognitive Ressourcen der Mehrsprachigkeit im Englischerwerb in der Grundschule) entwickelt Möglichkeiten der Integration von Mehrsprachigkeit in den Englischunterricht der 4. Klasse und untersucht deren Effekte. Während einer sechsmonatigen Interventionsphase in den Schuljahren 2018/19 und 2019/20 wurden Mehrsprachigkeitsübungen zur Förderung der phonologischen Bewusstheit (z.B. Reime), zum Entdecken ausgewählter strukturelle Phänomene (z.B. Negation in verschiedenen in der Klasse vorhandenen Sprachen) und zur sprachvergleichenden Wortschatzarbeit (z. B. Kognaten erkennen) in den Englischunterricht integriert.
Als Teil des Forschungsteams war ich zugleich eine der Unterrichtenden in den Projektschulen. Die Umsetzung im Englischunterricht klappte gut – es ergaben sich jedoch auch Unterschiede zwischen (Forschungs-)Anspruch und (Unterrichts-)Wirklichkeit. Das Einführen und Einüben neuer Vokabeln in der Fremdsprache war beispielsweise in unserem mehrsprachigkeitssensiblen Englischunterricht stets mit einem Ausblick auf andere Sprachen verbunden: „Do you know this word in another language?“. Als Forschende stellte ich mir hier eine wunderbare Phase vor, in der verschiedene Wörter genannt und von den Mitschüler/innen mit Staunen zur Kenntnis genommen wurden. Dies war in der Mehrzahl der Lerngruppen tatsächlich der Fall, und die Lernenden waren stolz, sich mit ihren anderen Sprachen einbringen zu können. Mitunter stand ich als Unterrichtende allerdings vor dem Problem, dass es zwischen Sprecher/innen derselben Sprache zu Unstimmigkeiten bezüglich der korrekten Wortwahl oder Aussprache eines herkunftssprachlichen Wortes kam.
Der Unterricht, den wir als Forschende planten, war außerdem sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch des fremdsprachlichen Anspruchs sehr ambitioniert. Als Unterrichtende waren wir daher gefordert, unsere Erwartungshaltung auf ein realistisches Maß zu reduzieren. So konnten nicht alle unserer Übungen im geplanten Umfang durchgeführt werden. Vor allem das schriftliche Festhalten von Unterrichtsergebnissen stellte sich als sehr zeitaufwändig heraus, sodass wir hier im weiteren Verlauf der Intervention bevorzugt auf verschiedene Formen der mündlichen Ergebnissicherung zurückgriffen.
Nicht zuletzt galt es, einen lerngruppenadäquaten mehrsprachigkeitssensiblen Englischunterricht zu gestalten. Die z.T. großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Klassen machten es nötig, das Konzept, das wir als Forschende verfolgten, als Unterrichtende flexibel an die Bedürfnisse der Lernenden und die Gegebenheiten vor Ort anzupassen (z.B. Ausstattung des Klassenzimmers, etablierte Methoden und Rituale). Ohnehin lag mein Fokus in manchen Situationen und Klassen weniger auf der Mehrsprachigkeitsdidaktik als auf dem Umgang mit Disziplinschwierigkeiten.
Die Doppelrolle als Forschende und Unterrichtende brachte daher einige Herausforderungen mit sich, die wir gemeinsam mit den Lehrkräften sowie den Schüler/innen gut meistern konnten. Sie hat uns vor allem sensibilisiert für die Besonderheiten des Handlungsfelds Schule. Im Schulalltag sind kreative Lösungen und alternative Handlungsmöglichkeiten gefragt, wenn man neue Ideen wie z.B. mehrsprachigkeitssensiblen Fremdsprachenunterricht umsetzen möchte.