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Metalinguistische Bewusstheit als Ressource im Englischerwerb in der Grundschule

Kann Wissen ÜBER Sprache bereits in einem sehr frühen Stadium beim Erlernen einer Fremdsprache eine wichtige Rolle spielen? Inwieweit ist dieses Wissen abhängig vom sprachlichen Hintergrund der Lerner/innen? Und auf welche spezifischen Bereiche des Fremdsprachenerwerbs kann sich dieses metasprachliche Wissen auswirken?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein Teil der Studie MEG-SKoRe (Sprachliche und kognitive Ressourcen der Mehrsprachigkeit im Englischerwerb in der Grundschule), die den Englischerwerb von 200 Grundschüler/innen am Ende der dritten Klasse untersucht. Die Gruppe umfasst sowohl monolingual als auch mehrsprachig aufwachsende Schüler/innen mit einem breiten Spektrum an unterschiedlichen Erstsprachen, die alle Englischunterricht ab der 1. Klasse erhielten. Es wurden sowohl sprachliche als auch metalinguistische Kompetenzen sowie verschiedene soziale, kognitive und persönliche Hintergrundfaktoren berücksichtigt.

Der hier zentrale Begriff der metalinguistischen Bewusstheit äußert sich auf unterschiedlichen Ebenen: in diesem Beitrag wird sie anhand der phonologischen Bewusstheit (Identifizieren und Manipulieren von lautlichen Einheiten) und der exekutiven Kontrollfähigkeit (gezielte Aufmerksamkeitslenkung) gemessen. Entscheidend ist dabei der Fokus auf formale Aspekte der Sprache unabhängig von bedeutungstragenden Faktoren. Dies fordert ein erhöhtes Maß an kognitiver Kontrolle, da nicht relevante Information zugunsten der relevanten unterdrückt werden muss. Bisherige Untersuchungen konnten häufig Vorteile von simultan (von Geburt an mit zwei Sprachen aufwachsenden) bilingualen gegenüber monolingualen Schüler/innen für diesen Bereich der metalinguistischen Bewusstheit feststellen.

Diese Studie untersucht nun, inwieweit ein Vorteil auch bei sequentiell aufwachsenden Herkunftssprechern, die erst mit Eintritt in den Kindergarten Kontakt mit der zweiten Sprache hatten, zu finden ist. Zudem soll mit dem Englischen Wortschatz ein spezifischer sprachlicher Bereich des frühen schulischen Englischerwerbs untersucht werden, für den bereits für andere Zielgruppen Zusammenhänge mit metalinguistischer Bewusstheit nachgewiesen werden konnten.

Die Ergebnisse zeigen, dass sequentiell mehrsprachige Schüler/innen als Gruppe keine Vorteile gegenüber monolingualen in Bezug auf metalinguistische Fähigkeiten aufweisen. Dies unterstreicht, dass individuelle Unterschiede, wie verschiedene Sprachbiographien, soziale, kognitive oder persönlichen Faktoren mögliche mehrsprachige Vorteile stark beeinflussen und daher berücksichtigt werden sollten.

In Bezug auf die zweite Fragestellung, findet sich ein positiver Zusammenhang zwischen metalinguistischer Bewusstheit und dem Wortschatzerwerb im Englischen. Die metalinguistische Bewusstheit erweist sich hier als Mediator zwischen Mehrsprachigkeit und dem Englischen Wortschatz. Ein höheres Maß an metalinguistischer Bewusstheit führt somit zu einem größeren Wortschatzumfang im Englischen und zwar unabhängig davon, ob die Lerner/innen einen monolingualen oder mehrsprachigen Hintergrund besitzen.

Nicht zuletzt bestärken diese Ergebnisse die Notwendigkeit nach dem stärkeren Einbezug von Trainings zur phonologischen Bewusstheit in den frühen Fremdsprachenerwerb um Potentiale monolingualer sowie mehrsprachiger Schüler/innen gezielt anzusprechen und möglicherweise sprachübergreifende Kompetenzen zu fördern.

Teresa Kieseier

Hopp, H., Kieseier, T., Vogelbacher, M., Köser, S., & Thoma, D. (2017). Mehrsprachigkeit und metalinguistische Bewusstheit im Englischerwerb in der Grundschule. In I. Fuchs, S. Jeuk, & W. Knapp (Hrsg.), Mehrsprachigkeit: Spracherwerb, Unterrichtsprozesse, Seiteneinstieg. (pp. 55–74). Stuttgart: Fillibach bei Klett.

Was denken Eltern über herkunftssprachlichen Unterricht?

Generell gibt es wenige Studien zu den Einstellungen von Eltern zu Bildungsfragen, dies gilt umso mehr für die Sichtweisen und Wünsche von Eltern zum herkunftssprachlichen Unterricht. In Hamburg wurde nun von Lengyel und Neumann eine Elternbefragung zu den Einstellungen zu herkunftssprachlichem Unterricht (HSU) durchgeführt.

Ca. 3000 Eltern mit Migrationshintergrund nahmen an der Untersuchung teil. Die Beteiligung der Herkunftsländer in der Stichprobe entspricht dabei den größten in Hamburg vertretenen Herkunftsgruppen: darunter Türkei, Afghanistan, Polen, Russland, Ghana, etc.

Ein Ergebnis der Studie ist, dass Eltern nur sehr eingeschränkten Zugang zu Informationen über das Angebot an herkunftssprachlichem Unterricht haben. Die Eltern beziehen Informationen hauptsächlich auf informellem Wege, durch die eigene Community. Über die Hälfte der Befragten kennt das herkunftssprachliche Angebot überhaupt nicht.

Weiterhin lässt sich festhalten, dass die überwiegende Mehrheit der Kinder den HSU in der Grundschule besucht und die Teilnahme nach der Grundschule, beim Übergang in die weiterführende Schule, deutlich einbricht. Im Verlauf der Sekundarstufe I nehmen die Besucherzahlen immer weiter ab; in der Sekundarstufe II sind sie verschwindend gering.

Nur wenige Gymnasien in Hamburg bieten HSU – z.B. als zweite Fremdsprache – an, so dass Gymnasiast(inn)en auf Konsulats- oder Vereinsangebote ausweichen müssen. Stadtteilschulen haben ein größeres Angebot und folglich mehr Schüler(innen), die den HSU an der Schule besuchen.

Obwohl weniger als ein Fünftel der Kinder am HSU teilnimmt, findet die Mehrheit der Eltern (88%) den herkunftssprachlichen Unterricht wichtig und wünscht sich ein solches Angebot. Der mit deutlichem Abstand wichtigste Grund für die Nichtteilnahme liegt aus Elternsicht daran, dass es an der deutschen Schule keinen HSU gibt. 62% der Befragten wünschen sich, dass ihre Kinder herkunftssprachlichen Unterricht an der deutschen Schule erhalten.

Die Eltern finden den HSU vor Allem wichtig, da die Kinder hier Lesen und Schreiben in der Herkunftssprache lernen. Weiterhin sind sie davon überzeugt, dass der HSU den Kindern bei der gesellschaftlichen Integration helfen würde: so würden die Kinder durch den herkunftssprachlichen Unterricht bessern ihren Platz in der Gesellschaft finden; lernen, andere Kulturen zu akzeptieren und ihre eigene Identität zu finden. Ebenfalls finden die Eltern den HSU wichtig, da er neben dem Erlernen der Sprache den Kindern Wissen über ihre Herkunftsländer vermittelt und die Kinder die eigene Abstammung nicht vergessen.

Antje Hansen

Lengyel, D. & Neumann, U. (2016). Herkunftssprachlicher Unterricht in Hamburg – Eine Studie zur Bedeutung des herkunftssprachlichen Unterrichts aus Elternsicht (HUBE). Hamburg: Universität Hamburg.

 

Wie einsprachige Bildungspraxis in mehrsprachigen Kinderbetreuungseinrichtungen zu Differenzen führt: Das Beispiel Luxemburg

Obwohl in Luxemburg eine dreisprachige Situation vorherrscht, führt dies nicht etwa zur Anerkennung einer diversen Mehrsprachigkeit im Bildungssystem, sondern zum Ideal der mehrfachen Einsprachigkeit. So wird die Sprache Deutsch insbesondere in der Primarstufe angewendet und das Französisch ab der Sekundarstufe als vorherrschende Unterrichtssprache eingesetzt. Das Luxemburgische wird in Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder von 0 – 4 Jahren gefordert und gefördert. Die Nutzung einer gemeinsamen Sprache in diesen Einrichtungen dient dem Ausdruck einer gemeinsamen Identität und soll kompensatorische Wirkung auf spätere sprachliche Benachteiligungen in der Schule haben. Die drei Sprachen stehen in der Bildung nebeneinander und sollen abgegrenzt voneinander verwendet werden. Claudia Seele untersuchte die Sprachpraktiken der Kinder, Erzieher_innen und Eltern, um herauszufinden, wie mit sprachlicher Diversität im luxemburgischen Kita-Alltag umgegangen wird und wie dieser Umgang zu Differenzen führen kann.

Seele stellte zunächst fest, dass die vermischenden Praktiken der mehrsprachigen Gesellschaft in den Einrichtungsalltag hinein reichen und eine Unterscheidung von Sprachen in der Kommunikation nur eine geringe Rolle zu spielen scheint. So dient Mehrsprachigkeit insbesondere zur Überbrückung der beiden Institutionen Familie und Kinderbetreuungseinrichtung und der Vermeidung möglicher Verständigungsprobleme. Ebenso wird trotz des Ideals der Einsprachigkeit, Erzieher_innen Mehrsprachigkeit als notwendige Kompetenz angerechnet. Die einsprachige Verwendung des Luxemburgischen ist demnach keine gesellschaftliche Normalität, sondern entspricht einer institutionellen Norm.

Der einsprachige Gebrauch des Luxemburgischen bildet den pädagogisch-programmatischen Rahmen, in welchem Sprachpraktiken stattfinden. Wie Kinder Sprache nutzen, folgt jedoch einer anderen Logik. Bei kindlichen Interaktionen stellen insbesondere das Mischen von Sprachen und der Wechsel zwischen diesen eine sprachliche Ressource dar, aber auch in der Auseinandersetzung mit der Umwelt zu erkennen. Demnach entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen der einsprachigen Norm der Kinderbetreuungseinrichtung und der Praxis der mehrsprachigen Verständigung über sprachliche Grenzen hinweg.

Seele kam zum Ergebnis, dass die einsprachige pädagogische Praxis anstelle einer gemeinsamen Identität eher Differenzen innerhalb der Einrichtung erzeugt. Zum einen grenzen sich die Kinderbetreuungseinrichtungen durch ihre Spezialisierung auf das Luxemburgische von Familie und Schule ab. Da innerhalb der Gesellschaft Mehrsprachigkeit die sprachliche Praxis darstellt, ist die mehrfache Einsprachigkeit eine institutionelle Praxis. Zum anderen erzeugt diese Norm auch Differenzen innerhalb der Kinderbetreuungseinrichtung sowohl zwischen Erwachsenen und Kindern – da von ersteren mehrsprachige Kompetenzen erwartet werden, während Kinder einsprachig interagieren sollen – , und zwischen den Kindern untereinander, die aufgrund der Familiensprachen als Ungleiche konstituiert werden.

Maren Frank

Seele, C. (2015). Differenzproduktion durch sprachliche Praktiken. Ethnographische Beobachtungen zur Mehrsprachigkeit in luxemburgischen Kinderbetreuungseinrichtungen. In: Schnitzer, A. & Mörgen, R. (Hrsg.) Mehrsprachigkeit und (Un-)Gesagtes. Sprachen als soziale Praxis in der Migrationsgesellschaft. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, S. 153-174.