Die Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten steht in einem engen Austausch mit der sozio-emotionalen Entwicklung. Letztere bezeichnet jenen Entwicklungsbereich, der beschreibt, wie sich das Erleben und Wahrnehmen von Emotionen sowie das Verhalten von Kindern im sozialen Austausch mit anderen Menschen im Laufe des Heranwachsens verändert.
Aufgrund des engen Zusammenhangs von sprachlicher und sozio-emotionaler Entwicklung sind Kinder in Bezug auf ihre Sprachentwicklung auf einen emotional bestätigenden und kommunikativen Austausch angewiesen. Zudem haben sprachliche Fähigkeiten auch eine Wirkung für die emotionale Entwicklung und die Herausbildung selbstregulativer Fähigkeiten, die den Kindern das Steuern des eigenen Verhaltens ermöglichen. Daraus lässt sich ableiten, dass Probleme innerhalb dieser Bereiche auch gleichzeitig ungünstige Auswirkungen auf die allgemeine Entwicklung des Kindes haben können.
Speziell für mehrsprachig aufwachsende Kinder ist der Zusammenhang zwischen sprachlicher und sozio-emotionaler Entwicklung jedoch bislang noch wenig untersucht. In einer der wenigen bereits bestehenden Studien, die das Zusammenwirken der beiden Entwicklungsbereiche bei mehrsprachigen Kindern betrachtet, konnten Winsler et al. nachweisen, dass eine gelungene Mehrsprachigkeit auch Vorteile im sozio-emotionalen Bereich mit sich bringt. Im Rahmen der Studie wurden die sprachlichen und sozio-emotionalen Kompetenzen von ca. 2000 amerikanischen Vorschulkindern mit einem spanisch-sprachigen Sprachhintergrund untersucht. Gute Sprachleistungen waren hierbei mit besseren sozialen Kompetenzen und weniger Verhaltensauffälligkeiten assoziiert. Mittels einer anhand der Ergebnisse der Sprachstandserhebung vorgenommenen Einteilung der Kinder nach Sprachdominanz (monolingual Englisch, Spanisch dominant, ausgewogen bilingual) konnte zudem bestätigt werden, dass die Kinder, die in beiden Sprachen über gute Sprachkompetenzen verfügen, hinsichtlich der sozio-emotionalen Entwicklung am besten abschneiden.
Winsler et al. nehmen an, dass dies mit besseren Regulationsprozessen im Gehirn von bilingualen Kindern zusammenhängen kann. So sind mehrsprachige Kinder durchgehend mit der Aufgabe der Unterdrückung bestimmter Reize (z.B. Aktivierung der einen und Unterdrückung der zweiten Sprache oder umgekehrt) konfrontiert. Diese Prozesse könnten dabei auch am Selbstregulations- und Selbstkontrollverhalten beteiligt sein, die für erfolgreiches Lernen und den kontrollierten Umgang mit eigenen Emotionen -und somit für die Entwicklung sozio-emotionalen Kompetenzen- von essentieller Bedeutung sind.
Dabei ist bislang jedoch noch ungeklärt, in welcher Weise sprachliche und sozio-emotionale Kompetenzen im Entwicklungsverlauf zusammenwirken, ob also etwa bessere Sprachkompetenzen bessere sozio-emotionale Kompetenzen voraussagen oder umgekehrt.
Winsler, A., Kim, Y.K., & Richard, E.R. (2014). Socio-emotional Skills, Behavior Problems, and Spanish Competence Predict the Acquisition of English Among English Language Learners in Poverty. Developmental Psychology, 50:1, 2242-2254.